Genua/Cinqueterre, Italien
Die nächste 9-Stunden Fahrt ist angesagt! Juhu. Inzwischen werde ich allerdings schon wirklich zum Busfahr-Profi – ich kann lesen, ohne dass mir schlecht wird (ernte aber einige seltsame Blicke, wenn ich wegen Jonathan Safran Foer in Tränen ausbreche. Tolles Buch.) Ich kenne mich sehr gut aus, wie man seine Tasche richtig schön dreist auf den Platz neben sich stellt und bei zusteigenden Gästen abwesend aus dem Fenster starrt, damit sich niemand neben einen setzt, und man weiterhin Platz und Beinfreiheit genießen kann. Ich kann die Flixbus Ansage inzwischen auch auf italienisch fast auswendig. Wenn ich doch mal einen Sitznachbar habe, bin ich inzwischen immer schneller, die Steckdose zu finden (was sie erstmal zum Findereigentum macht – zumindest für einige Stunden).
Ich bin Profi. Daher bin ich überrascht, als wir zur Mittagspause aussteigen, und irgendwas neu ist – oder sich anders anfühlt. Ich brauche einige Sekunden, bevor ich merke was es ist. Mir ist kalt. Wie seltsam. Wie ungewohnt. Tatsächlich schiebt sich hier, schon fast im Norden Italiens, der Himmel grau zusammen. Und sobald wir alle in der Raststätte sind, gibt es einen Wolkenbruch!
Prasselnder Regen, graue Wolken, das Trommeln der Tropfen auf dem billigen Tankstellen-Asphalt – der schönste Sommerregen, so richtig schön dramatisch und plötzlich.
Durch den Regen rennen wir zurück, und es ist irgendwie toll. Sommerregen ist echt angenehm nach all der trockenen Hitze. Ich fühl mich wie ein Kleinkind, das fröhlich in Pfützen springt. Unschuldig-ausgelassen.
Dann geht es weiter, etwa eine Stunde vor Ankunft versagt das Internet – beziehungsweise, ich hab es ein bisschen ausgereizt und werde rausgekickt wegen Überbenutzung. 😁
Daher schaue ich nun hinaus auf die Landschaft, wir fahren zwischen runden, grünen Hügeln hindurch, zwischendurch sieht man immer wieder kleine Dörfer und Städtchen verloren mitten im Grün (wo ich mich frage, wie die ihre Lebensmittel bekommen – per Hubschrauber über ihnen abgeworfen, oder leben die nur von Tannenzapfenmarmelade?).
Hinter den Hügelschluchten blitzt sogar immer mal wieder ein bisschen Meer auf. Der grau verhangene Himmel spiegelt sich darin, aber trotzdem gefällt es mir, die Linie am Horizont zu sehen (und zu wissen dass ich jetzt am Tyrrhenischen Meer bin – behauptet zumindest Google Maps).
Genova, auf deutsch „Genua“, aber ich finde, Genova klingt viel schöner, deshalb behalte ich das jetzt mal bei, ist ein wenig heruntergekommen, aber nicht so wie in Neapel. Der Putz bröckelt nicht, und man sieht auf den Hügeln schön mit Stuck verzierte Luxushotels und alte Palazzi zwischen den neueren Häusern emporragen. Alles ist, typisch Italienisch-mittelmeermäßig, in Orange-, Gelb- und Rosatönen gestrichen.

Die Busse sind kompliziert und bis ich meinen Weg zum Hostel gefunden habe, fängt es an zu nieseln.
Als ich auf meine Google Maps Karte sehe, ist mein kleiner blauer Punkt genau vor der Herberge. Ich sehe aber nur eine gigantische Eingangstür. Es gibt allerdings einen Klingelknopf mit dem Namen der Unterkunft, der auch auf meiner ausgedruckten Booking.com Buchung steht. Man lässt mich ein – und immer noch misstrauisch ziehe ich meinen kleinen Rollkoffer durch eine Marmor-Eingangshalle. Das sieht aber nicht aus wie ein typisches Hostel!

Dann stellt sich aber heraus, dass jemand tatsächlich einfach auf einer halben Etage in diesem Altbau eine Pension mit 8 kleinen Zimmern aufgemacht hat, Frühstücksraum wo man auf dem Balkon frühstücken kann, und sehr nettem Personal, die absolut für das Bett entschädigen, durch das man die Bettfedern deutlich spürt. Unbequeme Betten sind manchmal ja ganz gut, um mich zu motivieren, eher hinaus in die Stadt zum Entdecken zu gehen, als faul auszuschlafen. 😉
Abends treffe ich dann im Hausflur sogar noch 2 Typen aus Deutschland, und wir gehen zusammen Pizza essen. Super, mal wieder etwas Gesellschaft zu haben! 😅 Es gibt übrigens Pesto-Pizza, eine nicht unbedingt schlechte Erfahrung (auch wenn ich Tomaten immer noch lieber auf ner Pizza mag). Pesto wurde nämlich in Genova erfunden! Wieder was gelernt 🤓.
Am nächsten Morgen besorge ich mir ein Ticket nach Monterosso. Ich will nämlich unbedingt in die Cinqueterre (zu deutsch: fünf Orte), die kleinen ehemaligen Fischerdörfer, die in der Nähe von Genova, etwa eine Zugstunde, gemütlich am Meer aufs Erkunden warten.

Als ich aussteige, ist es wie eine Belohnung nach dieser langen Reise (nicht die 1 Stunde Zugfahrt, sondern die quer durch Italien). Ich bin angekommen. Das Meer ist so BLAU! So „mach deine Freunde mit Paradies-Bildern neidisch“-blau. So wie die gephotoshoppten Lidl Reise-Kleinanzeigen, die kein Mensch bucht, weil man sieht, dass dieses blau doch nicht echt sein kann. Aber hier ist es echt. 😍



Dann ist als Blogger dein einziges Problem, aus den hunderten von traumhaften Bildern welche auszusuchen. (Und natürlich, den Sturm an passiv-agressiven Freunden zu überleben, die auch gern Urlaub hätten 😅).
In Monterosso kann man einen schmalen Weg hinaufklettern, wo es nach Pinien riecht und man einen noch schöneren Ausblick über die Bucht bekommt.



Der eigentliche Plan war ja gewesen, den Wanderweg quer am Meer entlang alle 5 Dörfer langzulaufen. Nach 2km merke ich aber, wie viele Treppen man steigen muss und wie heiß es eigentlich ist, und gebe auf. 😅

Stattdessen entscheide ich mich dafür, die Dörfer selbst ausführlich zu erkunden (was an sich schon eine gewaltige Menge an Treppen steigen erfordert) und nehme jeweils den Zug von einem Dorf zum nächsten.
Das zweite Dorf, Vernazza, ist kleiner und mit Booten am Kai statt einem Badestrand. Aber auch charmant.


Dann, im 3. Dorf (Corniglia), darfst du erstmal einen Berg hochkraxeln, bis du in eine kleine Ansammlung aus engen Gassen, rosa Häusern und kleinen, stimmungsvollen Restaurants kommst (die den Aufstieg zugegebenermaßen mehr als wert sind). Dort habe ich mir ein Mittagessen gegönnt – Spaghetti mit Muscheln, ich bin schließlich direkt am Meer. 😋 Wahnsinnig lecker.


Das 4. Dorf, Manarola, ist wieder etwas kleiner. Es gibt einen Kleiderladen, der sehr verführerisch ist und wo ich sogar die letzten Hemmungen verliere in einer Umkleide, die auf italienische Durchschnittsgröße ausgerichtet und etwa einen Kopf zu niedrig für mich ist. „One Size Fits All“ ist dann allerdings für Frauen über 175 eher ein Witz. Oder war dieses „bodenlange“ Kleid wirklich als 7/8 Schnitt gedacht?


Als ich schließlich im 5. Ort ankomme, Riomaggiore, ist es schon Abend. Die Sonne steht etwas tiefer, ist nicht mehr so wahnsinnig brüllend heiß sondern angenehmer, und dieser Ort gefällt mir von den Fünfen tatsächlich am Besten. Es ist, als ob alle Pastelltöne in den Häusern vereint wären, und auf unterschiedlichen Höhen gebaute Häuser zusammen mit dem italienischen Licht, den Wellen im Hintergrund und dem Geschmack von einem Virgin Pina Colada das perfekte, chaotisch-schöne Bild eines italienischen Urlaubstraumes bilden.



Und damit sende ich sonnige Grüße nach Hause, und viel Empathie für diejenigen, die grade im regengrauen Berlin ausharren. Ihr habt meinen vollen Respekt, besonders die, die grad Prüfungen schreiben. Bitte seid nicht böse auf mich… 😁 ich verspreche auch, nicht zu oft zu betonen, wie schön braun ich geworden bin.
Alles Liebe und Ciao meine Bellas!
Anna
Au ja, was für ein Blau! Unglaublich… Was passiert denn da eigtl akustisch ringsum? Italienische Radio-Schlager aus Ristorantes und offenen Fenstern? Laute Unterhaltungen wie im Film?
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Und wenn dort die Heimat der Tannenzapfenmarmelade ist, gibt es da auch Wawuschels? Oder wenigstens ein „vocabulare“ dafür?
Ansonsten wieder: Großer Lese-Spaß ;-)))
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Ach ja, so schön kann Urlaub sein🐠🍧🍷🤓🌴🌞🌊!!!Einfach cool deine Fotos!!
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