Zwischen staubigen Steinen fühlt man die Vergangenheit

Pompei, Italien

Extra früh (für Ferienverhältnisse) stehe ich auf, packe ein paar Cracker und eine gigantische Wasserflasche ein und mache mich auf, mit der U-Bahn durch die Stadt zum Bahnhof, Tickets besorgen, mich erkundigen und dann ab auf den Weg machen. Um 9.41 Uhr bin ich im Zug in Richtung Pompei. Ich wollte dorthin, bevor all die größten Gruppen von Menschen sich alle gleichzeitig dorthin wälzen, um erfolgreich die Ticketschalter und Getränkestände zu überschwemmen. Ich bin anscheinend doch nicht früh genug dran, denn der Zug ist trotzdem voll. Ich stehe und halte mich irgendwo fest, und bei jeder weiteren der 19 Stationen in den Vororten Neapels steigen neue Leute dazu. Alle Fenster sind geöffnet, aber der Fahrtwind reicht nicht, um all unsern Schweiß zu kühlen. Nach fünfzehn Minuten fällt die Frau neben mir in Ohnmacht und am nächsten Bahnhof muss ihr beim Aussteigen geholfen werden, damit sie erstmal mit Luft befächelt werden kann und Wasser zu trinken bekommt.
Touristen-Hochsaison bei gefühlt gut 36 Grad kann schon anstrengend sein.

In Pompei strömen wir alle aus den Waggons heraus und sofort fängt das Personal an, zu schreien … Tagestouren und Tickets und hier gibt es Wasserflaschen. Eine Frau am Eingang versteht mich absichtlich falsch und lässt mich glauben, dass man nur mit einer geführten Tour in die Stätte hineinkommt, obwohl das gar nicht stimmt. So bezahle ich nochmal 12€ Aufpreis zusätzlich auf den Eintrittspreis und werde der nächsten englischen Tour zugeordnet.
Das entpuppt sich dann allerdings echt als ganz cool, die Gruppenführerin ist nämlich super lieb und lustig. Sie sagt, für die nächsten zwei Stunden sind wir ihre Familie. Andere Gruppenleiter höre ich ihre Gruppen mit „Babies“ und „Sweeties“ bezeichnen, deshalb sind wir wohl ganz gut dran. Und dann „Andiamo! Come on, my Family!“, begeben wir uns zwischen die staubigen Steine.

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erster Eingangshof
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Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich jetzt den Satz gehört habe „Please follow my pink umbrella!“

Es ist natürlich echt heiß zwischen den Ruinen der alten Stadt, vorallem weil der berühmte Vulkanausbruch 79 n. C. so ziemlich alle Dächer der Häuser (und damit die Haupt-Schattengelegenheiten) zerstört hat.

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Stellt man sich ein Dach drauf vor, war das ein großes Haus einer der reichen Familien.

Unsere Frau mit dem rosa Schirm erklärt, zwar mit starkem italienischen Akzent, aber sehr anschaulich, dass es schon damals Bäckereien, Badehäuser und sogar Street Food gab, wie sie es nennt, den „damaligen McDonalds“.

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Diese Schüsseln würden früher für die Essensaufbewahrung und den -verkauf benutzt. Ein Walk-Through-Fastfood-Laden der Römer!
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der Römische Zebrastreifen (ganz ernsthaft!), wenn es regnete, damit Fußgänger nicht auf der nassen Straße ausrutschten
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In einem alten Spa-Bad sieht man die Fächer zum Ablegen der persönlichen Sachen. Genau wie moderne Spinds – nur noch ohne Zahlenschloss

Besonders beeindruckend finde ich, dass in einigen Häusern noch original Mosaikböden und Reste von Wandbemalungen erhalten sind. Da fühlt man sich irgendwie echt krass in die Zeit versetzt.

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Deko Bemalungen der Wände – just like from Ikea

Ich lerne, dass 40% der Stadt Sklaven waren, 60% römische Bürger. Ich hatte mir die Szenerie vorher noch gruselig-dramatischer vorgestellt muss ich sagen, ich hatte erwartet, dass die vom Lavastrom überraschten Menschen noch dort liegen, wo sie erstickt sind, wie grausige Statuen als Zeugnis des Unglücks. Aber die Leichen würden entfernt. Man kann noch einige besonders dramatische Personen sehen, darunter der schlafende Sklave im Bild:

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Da wird einem echt etwas komisch beim Ansehen.

Der Rest wurde in Museen überführt, unter anderem auch das archäologische Museum Neapels, das ich leider nicht mehr schaffe.

Zum Schluss erklärt uns die nette Gruppenführerin noch einige Einzelheiten über das damalige Leben in Pompei – wie das Brunnensystem funktionierte und einige reiche Familien sogar ein Regenwasser-auffang-System in ihrem Haus hatten. Wie florierend der Handel war, aber auch Prostitution und Ausbeutung. Es ist wirklich interessant zu hören, wie weit entwickelt die Kultur schon war – obwohl das „Festfrieren“ durch den Vesuv-Ausbruch jetzt schon 1938 Jahre her ist! 😳

Den Vesuv kann man von Pompei aus natürlich auch sehen, er ist nur 10km entfernt. Immer noch beeindruckend, dass er seine Lava dermaßen weit gespuckt hat.

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Ausblick auf den Vesuv

Auf jeden Fall hat sich dieser Besuch echt gelohnt! Ich muss sagen, ich bin immer noch kein großer Neapel-Fan – und wenn ich die Reise nochmal neu planen könnte, würde ich mir den „7 Stunden hin, 7 Stunden zurück“-Busumweg vielleicht sparen. Aber ich bin trotzdem froh, dass ich hier war. Neapel hat mein Alleinreisen-Experiment nochmal auf ein neues Level gehoben und von mir die Selbstständigkeit gefordert, die ich im Challenge „Alleinreisen“ gesucht habe.

Und Pompei ist schon beeindruckend. Ein bisschen verstörend, aber sehr interessant. Hoffen wir mal, dass der (heute aktive!) Vulkan noch möglichst lange ruhig vor sich hin schlummert.

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Wächter der Stadt (netter Po).

Damit sage ich Tschüss, Neapel! In deiner Affenhitze hab ich doch noch so einige Orte gefunden, die mich überrascht haben.

Und alles Liebe an euch, meine Leser! Passt auf euch auf. Immer schön Sonnencreme benutzen.

Anna

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2 Gedanken zu “Zwischen staubigen Steinen fühlt man die Vergangenheit

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