Das Cappuccino-Projekt

Florenz, Italien

Am Donnerstag stehe ich um ungefähr halb elf morgens vor dem Palazzo Pitti, südlich des Flusses, wo noch erstaunlich wenig Leute sind. An diese italienische Lebensart könnte ich mich gewöhnen – vor 10 machen nicht mal Kaffeeläden auf!
Ich will in die Boboli-Gärten südlich des Arno-Flusses. Ich hab eine große Flasche Wasser mit, was sich als extrem gute Idee herausstellt: eine große Tour im „giardino“ ist nämlich kein gemütlicher Parkspaziergang.
Die Hecken und Statuen stehen entlang überraschend schräger Wege, der ganze Ort ist eine Art Hügellandschaft mit ganz schönen Höhenunterschieden. Und es gibt kaum Schatten! Wahrscheinlich war es eine gute Idee, das gleich am Anfang des Tages zu machen, solange ich noch voller Energie stecke. 😂

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A long way down
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runnnter… und hoch.

Durch das ganze Hoch und Runter hat man allerdings natürlich auch tolle Aussichtspunkte. Es ist wirklich sehr hübsch, und tut auch ganz gut nach den Massen in der Stadt, sich in Gängen zwischen Hecken mitunter mal wieder ganz allein wiederzufinden. Es ist nur keine wirklich entspannende morgendliche Runde.

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Blick von oben auf den Palazzo Pitti
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berühmt ist der Garten auch für seine viele Statuen
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Von den Boboli Gärten auf die Stadt geschaut

Danach will ich endlich ein bisschen berühmte Kunst sehen, wofür bin ich schließlich nach Florenz gekommen? In die Uffizien bin ich ja leider mangels Online-Vorbestellung nicht reingekommen. Nun geht es stattdessen also in die Ausstellung der „arte moderna“. Die finde ich im alten, großen Palazzo Pitti, der direkt an den Gärten liegt. Als Europäerin zwischen 18 und 25 kommt man sogar mit Rabatt rein, hehe. Dann kann ich ja sparen, um später ein paar Eissorten auszuprobieren, die ich noch nicht kenne (soll’s ja geben).

Für eine Kunstgalerie der Moderne mutet diese Ausstellung auf den ersten Eindruck äußerst klassisch an. Das mag an den alten Palasträumen mit Goldspiegeln an dem Wänden und gemalten Deckenbemalungen an, äh, der Decke liegen. Aber zum Schluss des kleinen Rundgangs finde ich dann doch noch meinen Lieblings Stil:

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Ausschnitt aus wunderschönem Pointillismus-Gemälde
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Statuen sind sonst nicht so meins, aber die hier mochte ich. Fancy Hat und interessante Haltung!
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Frauen in Landarbeits-Szenen

Nach der Kultur und dem Abhaken eines weiteren der Must-See-Highlights auf der Liste in meinem Kopf gönne ich mir jetzt erstmal ein paar Minuten in der Sonne sitzen draußen vor dem Palazzo. Ich durchforste meinen Reiseführer nach Café-Tipps, in diesem Punkt ist der aber nicht so wahnsinnig informativ. Ich schätze, ich muss durch Ausprobieren selbst den besten Kaffee in Italien finden. Wie schade. 😉 Daher folgt jetzt Teil Nummer eins meiner selbst als notwendig befundenen Mission. Koffeinaufnahme tut ja erstmal grundsätzlich immer gut, mal sehen was passiert wenn ich weiß-nicht-wie-viele Kaffees ausprobiert habe. 😁

Das Cappuccino-Projekt (1)

Der Café-Besitzer kommt selbst hinaus, um Bestellungen aufzunehmen, was sehr sympatisch ist. Der Kaffee ist sehr hübsch dekoriert mit einem Muster aus dunkler Schokosoße mit hohem Kakaogehalt. Der Schaum hebt sich deutlich vom Kaffee ab. Der Kaffee selbst ist cremig und milchig, könnte vielleicht etwas stärker sein, ist aber schonmal ganz gut.
4,50€ finde ich allerdings ganz schön happig.

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JT Caffè, Piazza de‘ Pitti, 32, 50125 Firenze (gegenüber vom Palazzo Pitti)

Auf jeden Fall, ohne einem Kaffee maßlose Bedeutung zuzugestehen, geht es mir danach schon besser; und energiegeladen mache ich mich wieder auf den Weg in die Stadt.

Als nächstes mache ich mich auf in Richtung der zweitgrößten Kirche der Stadt, Santa Croce. Die soll wohl auch wunderschön sein. Als ich dort bin, verstehe ich diese Meinung. Der hintere Bereich der Kirche ist zwar simpel braun, aber die vordere Fassade haben sie ganz schön im ähnlichen Stil wie den Dom dekoriert, in denselben Farben. Muss ja alles schön zusammenpassen, ne? Was sehr angenehm ist, ist, dass der riesige Platz vor der Kirche trotz Mittagszeit relativ leer ist. Es ist schön, noch ein paar Plätze im historischen Zentrum zu finden, wo nicht mehr Menschen als Tauben treten. (Wer schonmal in Italien war, versteht die Bedeutung dieses Vergleichs).
Als die Stadt 1530 von Kaiser Karl V. Und seinen Leuten belagert wurde, hat damals hier auf dem Platz ein Fußballspiel zum Heben der Stimmung stattgefunden, und noch heute sieht man die eingelassenen Terrakottakacheln als Mittelmarkierung des Feldes. Außerdem dürfen keine Café-Stühle auf dem Platz stehen. Woran das liegt, tatsächlich als Vorsorge, falls jemand spontan ein Fußballspiel beginnen will? Da bin ich nicht ganz sicher. Aber jedenfalls ist es schön hier.

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Schöne Kirchenfassade von Santa Croce und tatsächlich kaum Menschen

Danach, ich finde langsam Begeisterung an meiner „Mission“, mache ich mich auf ins nächste Café. (Es als „das Cappuccino-Projekt“ zu bezeichnen, rechtfertigt ganz wunderbar meine Lust auf überdurchschnittlich viel Koffein, was ich in meinem Budget bei den Kaffeepreisen sonst nie zulassen würde. Gut, wenn man einen wichtigen Grund hat, das zu tun was Spaß macht.)

Das Cappuccino-Projekt (2)

In dem hippen kleinen Café, mit bunten Stickern, Bildern und Zetteln an den Wänden und Tischen und Bartresen aus halb weiß angestrichenem alten Holz, gibt es wieder einen Cappuccino. Hier schmeckt der Schaum wirklich nur nach frischer Milch, und wenn man dann umrührt, schmeckt der erste Löffel mit Schaum-und-Kaffee-Mix auch schonmal ganz gut. Dann der Kaffee. Hui! Ein bisschen stärker als normalerweise bei Cappuccino üblich, weniger Milch als normalerweise. Der Kaffee an sich ist aber lecker. Da kickt das Koffein gleich eifrig rein. Vielleicht nur ein klein bisschen zu bitter, aber das kann ich mit extra braunem Zucker ausgleichen.  Kostet nur 1,50€. Faire Preise hier.

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Quelo Bar, Borgo Santa Croce, 15R, 50122 Firenze

(Das Bild sieht nicht so krass aus, aber die Coffee Bar war echt cool.)

Und dann beschließe ich, mir erstmal kein „Pflicht“programm mehr aufzubürden. Wer entscheidet überhaupt, was Pflicht ist? Ja wohl ich, und nicht die „must see“ Listen auf tripadvisor von vor 10 Jahren. Bestimmt hatten die Reisenden damals auch noch mehr Kraft für Power-Sightseeing… vor der Erderwärmung und so?
(Das war ein Scherz. Haltet mich nicht für dümmer als ich bin, wenn ihr’s besser wisst.)

Auf jeden Fall kommt jetzt meine Lieblingsart, eine Stadt zu erkunden, mal wieder zum Vorschein: schlendern nach Lust und Laune und dabei alles erforschen, wo ich spontan neugierig drauf bin. Bald schon komme ich in eine etwas ruhigere, auf charmante Weise heruntergekommene Gegend. Es ist interessant, diese „echten“ Parts der Stadt zu sehen, den Teil, der nicht für Touristen aufpoliert wurde. Ich will mich ja aber auch nicht total aus der Zivilation herausbegeben, deshalb folge ich der Spur der Second-Hand-Läden zurück in eine der hippen Rand-Zentrums-Gegenden. Dort gibt es kleine Restaurants mit Mini-Laternen über den Fenstern, Hinterhöfe hinter verzierten Stahlgittern und Streetart.

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Die nicht ganz so touristischen Gegenden
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Ganz schön schicker Hinterhof-Durchgang
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Engelchen-Streetart

Als ich in ein Lokal hineinsehe und man hinten im grünen Hof in der Sonne sitzen kann, treffe ich meine Wahl; und dort gibt es dann zum Mittag Tomatensuppe. Sehr lecker. Mit Parmesan. Und das Brot ganz authentisch aus der braunen Packpapier-Tüte, wie grad erst vom Nachbarbäcker geholt.

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Corte dei Pazzi, Borgo degli Albizi, 54R, 50122 Firenze

Nachdem ich meinen Weg zurück ins Apartment gefunden habe für eine Sonnenpause, Lesen und Vor-Recherche für Neapel, verabrede ich mich mit der Amerikanerin Hillary für den späten Nachmittag.

Sie kann mir das berühmte Bronze-Wildschwein zeigen. Man soll ihm ein Geldstück ins Maul legen und warten, bis es hinabfällt. Dabei soll man die Schnauze streicheln – das zumindest machen offensichtlich alle, die Schnauze ist nämlich schon gold glänzend poliert von all den Händen. Wobei das Ziel diesmal nicht, wie ich erwartete, ist, dadurch nochmal nach Florenz zurückzukehren, sondern das Ganze bringt dann wohl Glück für den ganzen Tag. Nunja, dann wünsch ich mir wohl einfach mal einen schönen letzten Tag in Florenz!

Dann streifen wir noch ein bisschen durch die Straßen und besorgen uns schließlich was Kleines zum Abendessen. Ich habe einen kleinen Laden gefunden, die Gemüse frisch frittieren. Da ich quasi nie zu McDonalds gehe, ist das das erste mal in einem halbem Jahr, dass ich wieder mal was Frittiertes esse. Sogenannte Zuccini-Blüten gibt es, und echt gute Hühnchen Nuggets. :p
Zum Essen setzen wir uns erstmal wieder auf die schöne Piazzale Santa Croce, die mit abendlichen Wölkchen nochmal hübscher aussieht. Dann drehen wir einen weiten Bogen bis über den Ponte Vecchio auf die andere Flussseite. Dort ist das Künstler-Handwerk-Viertel. So spät abends floriert es nicht gerade, aber wir haben uns stattdessen einen Spaß daraus gemacht, wer die meisten Street-Art-Bilder findet.

Besonders bekannt in Florenz sind die „Blub“ Graffitis, die Porträts, Berühmtheiten oder Personen von Gemälden „unter Wasser“ zeigen.

Der Blub Künstler ist übrigens derselbe, der auch die Straßenschilder leicht verändert.

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Herz durchstoßen auf der Hauptstraße

Schließlich machen wir uns auf den Weg nach oben, den Hügel hinauf bis zur Piazzale Michelangelo. Auf halber Höhe kommt man am Rosengarten vorbei – für Rosen ist es momentan zwar etwas zu drückend heiß, aber der hübsche Garten gefällt mir trotzdem.

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Giardino delle Rose

Und dann geht es die restliche Strecke hinauf auf diesen beliebten Aussichtspunkt, abends absolut überfüllt mit Smartphone-wannabe-Fotografen (ja ich erkenne die Ironie an, da gleich noch meine Fotos kommen). Aus dieser Perspektive sind all diese wunderschönen Florenz Postkartenansichten fotografiert, im sommerlich italienischen Abendlicht.

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jede Menge Zuschauer

Und es ist wirklich so schön wie versprochen – wenn sich die Wolken rosa färben, das Licht im Fluss reflektiert und durch die Brückenbögen scheint und die Sonne schließlich hinter den Bergen untergeht, störe ich mich nicht mal mehr an der betont kitschigen Liederauswahl des Keyboard-Spielers hinter uns. Dann ist man nur noch froh, hier zu sein und sich sowas Schönes ansehen zu können. Da fühlt man sich wie in einem einzigartigen Moment – auch wenn rational betrachtet bei dem ständigen Strahlewetter wahrscheinlich gestern und morgen genauso schön sind. Aber ich glaub jetzt einfach mal kurz daran. Und fühle mich ein bisschen besonders.

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– Anna

P. S. Das Cappuccino-Projekt wird natürlich in den nächsten Tagen weitergeführt, ich erzähle dann zwischendurch immer wieder von den Fortschritten. 

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