Treppensteigen, Hitzekoller und das dringende Bedürfnis nach schicken Sandalen

Florenz, Italien

Am Mittwoch wird erstmal bis 9 ausgeschlafen. Dann schaue ich mir im Reiseführer genau an, was ich alles machen will und wie ich die Punkte auch finde (mit Offline-Karte auf dem Handy für die bei der Orientierung etwas weniger Begabten unter uns).
Erst einmal hätte ich gern einen guten italienischen Kaffee und würde dann mal bei den Uffizien vorbeischauen. Also geht’s erstmal in Richtung Arno (das ist der Fluss, der durch Florenz fließt). Dort bekomme ich dann erst einmal den allerersten Blick auf die berühmte Brücke Ponte Vecchio – diese hübsche Brücke, die mit Geschäften behängt ist wie als wären es Vogelhäuser.

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erster Blick auf den Flusslauf
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Ponte Vecchio von ganz nah dran

Früher war diese Brücke beherrscht von den Fleischergeschäften. Die feine Familie der Medici mochten den Schlachtergeruch allerdings gar nicht gerne und ersetzten sie daher kurzerhand durch Goldschmiede. Bis heute gibt es auf der Brücke fast ausschließlich Schmuckgeschäfte. Genügend Auswahl, um die Schaufenster neugierig nach einem dringend benötigten (*hust*) neuen Paar Ohrringe zu durchsuchen.

Am anderen Ufer finde ich dann eine Gelateria, die mir einen Frühstücks-kaffee und einen Nutellakuchen verkaufen, mit dem man sich gleich erstmal die Finger einsauen kann. Der Cappuccino ist ehrlich gesagt noch nicht herausragend gut – das können die Italiener doch eigentlich besser? Meine nächste Mission lautet jetzt also, in den nächsten Ferientagen noch ein richtig gutes Café zu finden – mit richtig gutem Kaffee.

Ich wandere dann direkt wieder über die Brücke zurück – die Südseite jenseits vom Ufer kommt morgen erst dran.

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friedlicher Mann im Boot, von der Brücke aus fotografiert
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einige Männer restaurieren eine Statue mitten auf der Brücke

In den Uffizien werde ich enttäuscht – es ist absolut unmöglich, ohne online reserviertes Ticket hineinzukommen. Hm. Da ist der Kunst-Fan natürlich ein wenig niedergeschlagen. Ich finde aber bestimmt noch ein anderes gutes Kunst Museum! Florenz ist ja nicht nur das „lebendige Open Air Museum“ mit tollen alten Gebäuden quasi… überall, sondern birgt auch eine gewaltige Menge an Kunstschätzen.

So begebe ich mich also zu allererst mal zum Wahrzeichen von Florenz: der gigantischen „Cattedrale di Santa Maria del Fiore“. Zwischen den Straßen sieht man manchmal schon die Kuppel aufblitzen, aber wenn du dann aus dem Gässchengewirr heraustrittst und den ersten richtigen Blick auf die Kathedrale werfen kannst – das ist umwerfend. Sie gehört zweifellos zu den schönsten Gebäuden, die ich je gesehen habe. Sie ist von allen Seiten bunt und detailreich verziert, vor allem in grün, rosa und weiß. Ich bin einmal fast ganz herumgewandert, um den Eingang zu finden, und habe die ganzen wunderschönen Bemalungen und Steine bestaunt, die hohen Fenster. Detailliebhaber haben hier echt was zu gucken.

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erster Eindruck: beeindruckend
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Nordseite: verziert soweit das Auge reicht

Dann sehe ich Menschen, und noch mehr Menschen, und erstaunlich viele dieser Menschen stehen erstaunlich still in einer Reihe – oh wow, das ist die Schlange! Anscheinend ist in der Hochsaison, fast mittags, nicht die ideale Zeit, um gratis in die Kirche hineinzukommen.

Also, da stell ich mich jetzt erstmal nicht an! Ich verbring doch nicht meinen ganzen Tag mit anstehen! (Abgesehen davon komm ich lieber nochmal in langem Kleid wieder. Es kann durchaus passieren, dass man nach einer Stunde am Anfang der Schlange ankommt und dann wegen kurzer Sommerhose nicht reingelassen wird.)
Ich sehe mich etwas um, betrachte die Frontfassade, und entdecke – ganz die geborene Stadttouristin – schließlich den Ticketverkauf. Nachdem ich mir ein all-in-one Ticket geholt habe, denke ich, nun komme ich schneller in den Dom hinein, ich bin nämlich richtig schlau und steige einfach mit meiner Karte in die Kuppel hinauf. Da müsste ich ja wenigstens einen Teil des Innenbereichs sehen. Später will ich dann noch auf den Glockenturm nebenan steigen. Mein Reiseführer behauptet zwar, Dom-Kuppel und Glockenturm wären beide schön für einen Panorama-Blick, doch man solle sich für eines von beiden entscheiden; aber ich bin energetisch und erstmal überzeugt, so viel wie möglich schaffen zu wollen.
In der Schlange werde ich nun mehrmals nach Auskunft gefragt – mein Rang steigt zum Experten auf, weil ich 1. weiß, wo man Tickets bekommt und 2. die Schilder am Dom gelesen habe, an welchem Eingang man Tickets braucht.
Nachdem ich mit Ticket fünfzehn Minuten vor der Domkuppel gewartet habe, wird mir gesagt, Nein, ich brauche zusätzlich noch eine Reservierung für eine bestimmte Zeit, die bekäme ich im Dom-Museum. Seufz. Die Selbstzufriedenheit verliere ich erstmal wieder.
Aber das Dom-Museum wollte ich sowieso besuchen, das wurde mir nämlich empfohlen und war ja eh in meiner Kombi-Eintrittskarte mit drin.

Ich muss sagen, allein Urlaub machen  gefällt mir, wenn ich im Museum bin. Ich kann in meinem Tempo die Statuen anschauen und muss nicht jede Infotafel lesen, kann mir aber dafür extra Zeit nehmen, um Michelangelos vorletzte vor seinem Tod fertiggestellte Skulptur anzusehen, die ich wirklich schön finde.

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Michelangelo’s Werk zu bestaunen
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auf der Glasplatte stehend

Auf 3 Geschossen sehe ich mich um, dann geht es noch eins hinauf bis auf die Terrasse. Und dort bietet sich mir erstmal der schönste Blick, den ich bisher gesehen hatte. In Direktnähe zur Domkuppel kann man hinübersehen.

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Terassenaussicht-Goals

Ziemlich zufrieden mit diesem Besuch versuche ich nun, unten noch eine Domkuppel-Reservierung zu bekommen, wie es mir empfohlen wurde. „Ja gerne, der nächste freie Termin ist am Freitag“. Echt jetzt? Das ist natürlich ungünstig, weil ich Freitag schon auf der Weiterreise bin. Aber ich lasse mir meinen Panorama-Blick nicht nehmen! Dann steig ich halt später auf den Glockenturm hoch. Ist wahrscheinlich eh schöner – denn so habe ich den Dom im Panorama Bild mit drin!

Jetzt hab ich aber erstmal Lust, einer schattigen Straße zu folgen, und stelle dann mit einem Blick auf die Karte fest, dass die in Richtung Universität führt. In die Gegend wollte ich ja sowieso noch! Also folge ich erstmal dieser Laune und finde mich in einer nach und nach sogar etwas weniger von Touristen überlaufenen Gegend wieder. Das ist wirklich eine angenehme Abwechslung. Ich muss sagen, ich finde die ganzen Touristenmassen sehr anstrengend (ich meine, ich kann mich kaum beschweren, ich bin ja eine von ihnen). Ein wenig mehr Leere um mich herum ist wunderbar. In die Uni gucke ich kurz hinein – ich bin ja immer sehr neugierig, wie die in unterschiedlichen Städten aussehen. Hier gibt es einen sonnigen Innenhof.

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In der Università

Ein wenig weiter steht auf meiner Karte etwas Grün verzeichnet. Ein Park wäre mir jetzt sehr angenehm – leider ist es ein botanischer Garten, und da komme ich nicht hinein. Also wieder ein Stück zurück in die Stadt. Ich komme über einen großen Platz, wo eine sehr vielseitige Auslage an Ledersandalen gezeigt wird. Ich schau sie mir nuuur mal kurz an – man wird ja wohl mal gucken dürfen. 😉 Ich unterdrücke den Wunsch nach schönen Schuhen dann aber. Ich will am Anfang der Reise ein bisschen sparsamer sein, damit ich am Ende weiß, wie viel ich noch ausgeben kann.

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verführerisch

Es ist inzwischen kurz vor eins und ich hab in einem Blog die Empfehlung gelesen, in die größten Markthallen von Florenz zum Mittag zu gehen – dort gäbe es wohl nicht nur Fleisch und Obst, sondern auch typisch toskanische Spezialitäten zu einem guten Preis. Das probiere ich natürlich aus und begebe mich in Richtung Mercato Centrale. Und tatsächlich, nachdem ich mich durch die zudringlichen Lederverkäufer außen vor den Hallen gekämpft habe, finde ich innen an einem Marktstand ganz frische Gemüselasagne, Salat und Nudeln in allen Formen. Ich besorg mir eine schöne große Bruscetta mit Büffelmozzarella und setze mich ein paar Minuten an einen der kleinen, hohen Tische.

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ganz schön schick für so einen kleinen Marktstand. Italienisch halt.
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toskanische Spezialitäten am Nachbarstand

Danach will ich aber nun wirklich meinen Panorama-Blick über Florenz bekommen, und bewege mich schnurstracks dorthin, wo man die Kuppel sieht, und stelle mich am Glockenturm an. In der Sonne muss man schon nochmal zwanzig Minuten warten, und mittlerweile bin ich echt erschöpft. Und es ist schon nochmal anstrengend, die über 400 Steinstufen den Glockenturm hochzukraxeln. Aber die 3 Zwischenplattformen motivieren, weiter nach oben zu steigen – es ist so ein schöner Ausblick! Ich meine, du stehst am Eingang in der brüllend heißen Sonne und denkst dir so „this better be worth it“ – aber es ist wirklich den Aufstieg wert.

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beim Aufstieg
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schick gedrehte Säule im Vordergrund

Außerdem kann man von der obersten Plattform denen zuwinken, die oben auf der Kuppel des Doms stehen. Wahrscheinlich hatte mein Reiseführer recht – wenn du einmal die ganzen Treppen dort hochgeklettert bist, brauchst du nicht nebenan noch dasselbe machen.

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Wow
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Winke winke, ihr da drüben!
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Wie lauter kleine Ameisen!

Allein reisen ist bisher noch ein Challenge für mich, und beim Herabsteigen des Turms ist mir noch etwas aufgefallen, worauf ich wirklich Acht geben muss: genügend Pausen einzulegen. Es ist zur Zeit wirklich heiß hier und ich komme kaum nach mit Wasser trinken. Auf dem Glockenturm hatte ich kein Wasser mehr übrig und bekam echt ein Gefühl, dass ich aufpassen muss, keinen Hitzeschlag zu bekommen oder in Ohnmacht zu fallen. Wenn ich das Beste aus einem Städtetrip herausholen möchte, verlange ich mir mitunter ganz schön viel ab.

Natürlich (für die besorgten Verwandten) habe ich mich, sobald ich unten angekommen war, um eine Flasche Wasser gekümmert. Einige Straßen weiter rettet mich ein kleiner anglo-italienisch gemischter Buchladen: Wie so oft hat ein Buchladen lebensrettende Wirkung, in diesem Fall allerdings durch die wohl-klimatisierte Luft, wo ich meinem Körper ein wenig Hitze-Pause gönnen könnte. Da merkte ich, dass ich eine richtige Pause gut vertragen könnte und war schnell zurück beim Apartment, um wirklich mal zwei, eher drei Stunden zu entspannen, mich wieder besser zu klimatisieren, Beine und Arme mit kaltem Wasser abzuduschen und wieder ein bisschen zur Ruhe zu kommen.

Am Abend, bevor ich losging um etwas Gutes Italienisches zum Essen zu finden, traf ich nochmal kurz Hillary, die andere Mieterin im airbnb, und sie empfahl mir ein bestimmtes Studentenviertel auf der anderen Seite des Flusses. Ich ignorierte den gut aussehenden, günstigen Pizzaladen, weil die Schlange so lang war und weil ich mich noch ein wenig umschauen wollte. Ehrlich gesagt hatte ich Eine mir bisher unbekannte Art von Nervosität; ich war irgendwie nervös, alleine im Restaurant zu essen. Ich meine, in den zahlreichen alternativen Essensbars zu Hause in Berlin ist es normal, sich einfach was zu holen und damit auf eine Bank oder an einen Springbrunnen oder so zu setzen. Aber allein im Restaurant?

Ich fand dann eines, und die Kellnerin brachte mich ins Obergeschoss, an einen Tisch in einem relativ leeren Raum. Ein seltsames Gefühl in einer so vollen Stadt. Ich kenne natürlich die Devisen für arme (oder dringend für ein Paar Schuhe sparende) Reisende – sich schonmal am Gratis-Brot mit Olivenpaste satt essen, heimlich aus der eigenen Wasserflasche trinken um nicht eine ganze Flasche Pellegrino bezahlen zu müssen. Zusätzlich hab ich statt einer normalen, nur eine kleine Portion bestellt, um gut mit meinem Budget zu haushalten, und fühlte mich selbst ganz klein, als der Kellner mich amüsiert ansah und wiederholte: eine halbe Portion Spagetti, nichts zu trinken, nichts weiter? Also bestellte ich – ein schwacher Moment – noch eine Cola dazu. Ehrlich gesagt war es eher ein Experiment, ob der Kellner mein „Mi porta una coca?“ verstehen würde, wobei ich gleich mal aus Nervosität das „per favore“ vergaß.

Der Raum füllte sich langsam und irgendwie war es schon ein komisches Gefühl, allein im Restaurant zu sitzen. Ich bereute schon fast, mir nicht einfach vorhin eine günstige Pizza geholt zu haben zum auf-dem-Weg-essen… und dann kam die Pasta. Und es war die kleine Aufregung so wert. Wow. Buonissimo. Ich hatte so super dicke Spaghetti bestellt, mit Tomaten und Knoblauch und Öl und Basilikum und Parmesan. Ein Bissen, und ich war so happy, in Italien zu sein! 😋

Die kleineren Portionen sind eine super Variante für mich, denn diese tiefen Teller mit Bergen von Pasta bekomme ich eh nie alle. Ein Foto von Pablo Picasso hing mir beim Essen quer durch den Raum gegenüber – er schaute mich herausfordernd an, und ich setzte mich wieder gerade hin und freute mich einfach über meinen schönen Urlaub. Ist doch egal was die anderen denken, wahrscheinlich denken die sich eh nichts. Ist doch nicht schlimm, wenn ich alleine esse. Mir ging’s gut. Eine weitere Sache stimmte mich extrem positiv – der Kellner sprach Italienisch mit mir. Oft versucht man, in der Landessprache zu sprechen, und dann fangen die Verkäufer oder Leute im Info-Stand plötzlich an mit Englisch. Aber mein Kellner redete in flüssigem, schnellen Italienisch auf mich ein – und ich kam klar mit dem Bestellen! Da fühlt man sich doch erst so richtig selbstständig.

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Platz vor dem Restaurant nach dem Essen im Abendlicht

Beschwingt (ganz ohne Wein) machte ich mich auf den Weg zurück durch das goldene Abendlicht. Und traf, am empfohlenen, von mir ignorierten Pizzastand – Hillary! Ich freute mich total über ein bisschen Gesellschaft, und wir setzten uns auf eine Piazza voller Tauben um ein bisschen zu quatschen – sie kommt aus Amerika, hat aber schonmal ein halbes Jahr in Florenz gewohnt. Kurz nach Sonnenuntergang traten wir auf den Ponte Santa Trinita, die weniger berühmte Brücke nebenan vom Ponte Vecchio – und sahen im letzten Abendlicht noch tolle Farben im Himmel über dem Fluss zerlaufen.

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Wie pinke Farbtabletten zum Ostereier-Färben

Dann machten wir noch einen Abendspaziergang und verliefen uns ein bisschen – was aber nicht schlimm war, denn zu zweit findet man sich mit vereinten Instinkten (*hust* Google Maps wurde natürlich kein bisschen gebraucht *hust*) ganz einfach wieder nach hause.

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Streetart: hier diese witzig veränderten Straßenschilder.

Was für ein Tag! Knapp 17 km bin ich gelaufen und habe so viel gesehen! Morgen mache ich mich mit einem besseren Wasservorrat auf – und entdecke noch mehr Neues.

Noch ein random Bild zum Schluss – Italia style:

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Wer entdeckt den Hund mit Sonnenbrille? Just chilling…

Alles Liebe aus dieser erlebnisreichen Zeit und aus der dafür bestens geeigneten Stadt!

Ciao! Anna 😉

Ein Gedanke zu “Treppensteigen, Hitzekoller und das dringende Bedürfnis nach schicken Sandalen

  1. Der Hund ist nicht echt (die Brille schon), das Winke-winke-Bild ganz schön beeindruckend (so sinnlos riesige Gebäude in einer so engen Stadt) und das Sandalen-Bild ein Heldenstück (falls Du wirklich ehrlich keine gekauft hast) . – P.

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