London, England
Nachtrag vom 09.06.2017
Entspannt in Richtung England.
Das war der Plan und lief auch sehr gut – ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Briten so überkorrekt sind und sich deshalb nie jemand traut, zu spät zu kommen; oder ob ich nach einigen Bahnverspätungs-Katastrophen nur jeden reibungslosen Reise-Ablauf als ein kleines Wunder ansehe.
Mit dem Zug ging es früh nach Toulouse, mit meinem kleinen Koffer, was sehr angenehm war im Vergleich dazu, einen riesigen Brocken mit mir rumzuschleppen so wie sonst. (Meine Verwandten haben schon als ich 14 war darüber gestöhnt, dass meine Unfähigkeit nur eine kleine Tasche zu packen ins Verstopfen des gesamten Kofferraums resultiert).
Dieses mal war es ganz einfach, leicht zu packen, schließlich war es nur eine zweimal-übernachten-Reise. Man braucht den Kulturbeutel (durchsichtig, damit die am Flughafen nicht meckern), Jeans, Mantel, und am allerwichtigsten: den Regenschirm. Ich hab zwar Wetterbericht geschaut und der verspricht, dass ich genau die 3 Sonnentage des Monats bekomme. Aber diesem Glück kann ich noch nicht so ganz trauen und bin noch etwas „suspicious“ (um meinen englischen Wortschatz mal wieder etwas zu erweitern).
Mit dem Zug läuft auf jeden Fall alles gut, und da ich mich in Toulouse inzwischen wirklich gut auskenne, schaffe ich es in Rekordzeit mit der Navette zum Flughafen und kann tatsächlich noch ein wenig das Gratis-WLAN dort nutzen, während ich warte.
Mit fortschreitendem Zeiger auf der Flughafen-Uhr kann ich dann Stück für Stück beobachten, wie nacheinander alle Flüge, die vor meinem starten, fürs Check-In freigeschaltet werden. Und dann – der Flug nach meinem. Und der danach. Und der danach. Ich komme mir vor wie in einer seltsamen Sitcom, wo mein Flug tatsächlich der EINZIGE auf der Tafel ist, hinter dem noch kein blinkendes „Check-In geöffnet“ Zeichen steht. Aber ich werde nicht noch einen Mitleid hervorrufenden Reisebeitrag veröffentlichen, dann bin ich diesmal halt die erste. Ich werde die nette Frau am Schalter einfach mit meinen umwerfenden Französischkenntnissen überreden, den Check-in für mich früher zu öffnen. Looks like the British aren’t so punctual after all.
Schließlich bin ich dann am Gate und höre die ersten Briten in diesem herrlichen Akzent sprechen. Very wonderful. Ich übe im Kopf schonmal, dieses köstliche Englisch zu imitieren – es ist gar nicht so schwer, wenn man sich „Downton Abbey“ Zitate durch den Kopf gehen lässt. Carson, could i have some more tea, please?
Am Gate neben unserem geht es nach Berlin, witzig. Noch mal schnell umentscheiden? Ganz sicher nicht!
Aber jetzt muss ich erstmal das letzte bisschen Akku meines Handys aufsparen, falls ich mich in London im U-Bahn-Netz verlieren sollte und nach Hilfe schreien muss. Aber das wird schon nicht passieren (*hust hust*). Ich muss nur meinen Kopf dazu bringen, endlich wieder komplett von französisch auf englisch umzuschalten.
Ich bin im Flugzeug und sitze am Gang.
Der Steward sieht aus, als wäre er nicht älter als ich und tut mir fast leid, als er sich in der Schwimmweste verheddert und knallrot anläuft. Er erlaubt mir dann aber, mich auf den frei gebliebenen Sitz am Fenster zu setzen. Yes!
Ich biete der Frau, die im Gang neben mir sitzt, ein Ricola-Bonbon an und bekomme das große „pleasure“ meiner ersten Überhäufung mit englischen Höflichleiten. Ich bekomme ein „oh Why, Yes, thank you! What a treat! What are those? See, i’ve never bought these. Thank you so much!“ dafür.
Wow. Und all das für ein kleines Bonbon. Was machen die Briten, wenn man ihnen mal einen richtigen Gefallen tut? Purzelbäume schlagen? Dann hoffen wir mal, dass sie dabei nicht ihren Cup of Tea verschütten.
Meine Güte, stecke ich voller Vorurteile. Oder? Ob Wahrheit in den Klischees steckt, werde ich wohl schon bald herausfinden…
Ich verschlafe den Großteil des ohnehin nur 1 Stunde 40 Minuten langen Fluges. Ich hätte eh nichts zu tun gehabt außer Wolken gucken – ich habe kein Buch dabei. So kann ich mir in London eins gönnen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, weil ich eh schon zu viele daheim habe.

Wir kommen daher für meine Wahrnehmung überraschend schnell an.
Durch die Beschreibung meines Vaters, der einige Stunden vor mir angekommen ist, ist es dann auch ziemlich einfach die passenden Ausgänge zu finden.
London Gatwick ist echt weit außerhalb Londons, und der North-Terminal ist nochmal außerhalb des eigentlichen Flughafens.
Daher braucht es ein Shuttle, den halbstündig durch Vororte fahrenden Gatwick Express und schließlich die U-Bahn, um wirklich ins Herz der Stadt zu gelangen. An der „Victoria Station“ bekomme ich erstmal einen Schock, denn ich fühle mich wie in einem Ameisenhaufen. So viele Menschen, und alle hasten in unterschiedliche Richtungen! Klein Anna fühlt sich etwas verloren in der großen Stadt.
Aber, Courage zusammenkratzen und los geht’s! Nach einer weiteren Stunde haben sich die Reise-Kumpane dann auch getroffen und die Koffer sind im Hotelzimmer abgestellt.
Ab geht es in die Stadt! Ich bin nicht müde und ich weiß, dass diesmal tatsächlich nicht viel Zeit da ist, um alles zu erkunden. Daher muss die vorhandene Zeit genutzt werden! Voller Elan geht es also los, wir sind in der Nähe der U-Bahn-Station Gloucester Road.
Als erstes fällt mir auf, dass tatsächlich diese Menschen herumstehen, die Gratis-Zeitungen verteilen. Das lässt mich immer an alte Filme denken, aber dann ist das ja auch wieder ein bisschen der „Spirit“ von London, denke ich. Trotz modernster Technik, florierendem interkulturellen Austausch und ständigem Wandel der Mode werden bestimmte Standards hier immer gleich bleiben, genau wie die Tradition des Zeitungslesens. In welche zerfledderten Seiten sollten auch sonst all die Mengen an Fish and Chips stilecht eingewickelt werden?

Wir bewegen uns in Richtung Kensington Gardens, was gar nicht so weit vom Hotel entfernt liegt. Ich begebe mich auf meine selbsternannte Mission, rote Doppeldecker-Busse zu zählen (bisher: 22).
Ich freue mich nicht nur an den schicken Häusern rundum, sondern auch an den einfachen Hinweisen, die für doofe Touristen auf die Straße gemalt wurden – guck nach rechts! Na klar, all die Europäer sind wohl verwirrt vom Linksverkehr. Hier muss an den Kreuzungen auf Verkehr von rechts geachtet werden – fast immer, außer wenn er von links kommt, aber auch dafür gibt es dann Straßenmarkierungen.


Da es immer noch rücksichtslose Taxifahrer und nach ihrem Fahrtempo schließend unfallbegrüßende Radfahrer gibt, muss man eh immer in alle Richtungen gleichzeitig gucken. Ich fühle mich wie eine mit dem Kopf ruckende Taube auf Energydrink, links, rechts, oben, unten, Vorsicht, wo geht’s hin, und dann – sind wir da.
Vor den Kensington Gardens wird erstmal das obligatorische Foto vor einer roten Telefonzelle gemacht. Dann geht es durch die großen Eisentore hindurch in eine grüne Oase. Ich muss sagen, die Regenquote lässt das Gras hier kräftig wachsen und das ganze Grün der alten Bäume wirkt wirklich ins Sommerfeeling hinein. Zudem gab es für uns wirklich keinen Tropfen Regen, seit ich hier bin.
Wir sehen Radfahrer, Jogger und auf-dem-Rasen-Faulenzer. In der Abendsonne spazieren wir am Teich vor dem Kensington Palace vorbei, drehen eine Runde und begeben uns in die östliche Hälfte des großen Parks.


Die andere Hälfte nennt sich Hyde Park und wartet mit mehr Grün und einigen Baseball Spielern auf.
Außerdem sind da ein älterer Herr und sein Schwarm an grünen Wellensittichen, der in den Bäumen umher fliegt. Wobei wir natürlich so tun werden, als würden die hier alle in ihrem natürlichen Lebensraum sein.
Auf jeden Fall hab ich eine Minute später Kerne auf der Handfläche und bin absolut begeistert, als mich die hübschen Vögel besuchen kommen. Die Krallen pieksen ein bisschen, aber mit den Schnäbeln passen sie auf, wenn sie sich ihr Futter holen. So liebe Piepmätze!

Schließlich begeben wir uns runter ans Wasser, die „Serpentine“. Dort, im Abendlicht, gibt es eine schöne Spiegelung auf der sich kräuselnden Oberfläche zu sehen.
Und eine für mich unfassbare Menge an Schwänen. Einige mit Babys („hässlichen Entlein“), andere allein, schwimmen bestimmt 50 schneeweiße Schwäne vor uns oder strecken den weißen Federpo in die Höh‘.

Schließlich, nach diesen friedlichen Sommer Eindrücken, die mir schon wieder Lust auf Berliner Parks machen, müssen wir los. Wir werden uns in einem Pub mit unseren englischen Freunden treffen, und ich freu mich schon ganz besonders auf Elizabeth, meine gute Freundin seit wir ganz klein sind.
Damit gebe ich mich jetzt einem lauten Abend voller Wiedersehensfreude und Verwirrung meinerseits hinsichts der verschiedenen Sprachen in meinem Kopf hin.
Ich freue mich schon, und morgen ist all der touristy Stuff dran, die Must-Sees in London!
Viele Grüße nach Hause.
Anna 🙂