Stosswihr, Frankreich
Nachtrag vom 29./30.05.2017
Mal wieder war in Strasbourg ausschlafen angesagt, nach der langen Nacht. Diesmal war das Schlafen etwas schwieriger, da die für Montag angekündigten 36 Grad anscheinend beschlossen hatten, uns in unserem Zimmer schon mal eine Preview zu geben.
Außerdem kam die Hälfte unserer Gruppe noch ein ganzes Stück später nach hause, gegen acht Uhr morgens, von daher waren wir alle noch etwas verschlafen, als wir gegen 10 Uhr aufgestanden sind.
Wir hatten beschlossen, ein großes Frühstück für unsere Gsstgeberin Antonia zu machen, um uns zu bedanken, dass wir dort bleiben durften. Mit Pfirsichen, Kirschen und Baguette startet man doch besser in den Tag.
Dann haben wir auf dem Bechstein Flügel in Antonias Einsatzstelle noch ein Privat-Konzert bekommen – Xenia spielt wahnsinnig schön Klavier. Sie und Milena geben in ihrem Altenheim mehrmals pro Woche Konzerte für die Bewohner und sind deshalb super in Übung.
Und dann kam auch schon meine ungarische Anna an! Mit dem Flugzeug war sie heute von Budapest nach Straßburg geflogen, und jetzt waren wir schon zu sechst.
Da es wahnsinnig heiß war, sind wir noch schnell shoppen gegangen. Wir dachten, ohne kurze Hosen würden wir auf dem Seminar nicht überleben. (Später mehr dazu).
Ein großes Eis später (Wald-Brombeere und Minze-Zitrone) war es dann schon so spät, dass wir uns auf den Weg machen mussten. Denn wir sind ja nicht nur zum Urlaub machen hier im Nordosten Frankreichs… eigentlich ist der Grund für die Landesdurchquerung unser Abschlussseminar. Die französische Organisation VISA hat uns Ende August in Straßburg begrüßt, Ende Januar hatten wir ein Wiedersehen in Théoule-sur-mer und nun bahnte sich unser Abschluss-Seminar an.
Eine große Fraktion Mädels mit Backpacks auf dem Weg zum Bahnhof, und dann mit der Regionalbahn eine halbe Stunde bis nach Colmar.
Wiedersehen mit den anderen Freiwilligen! Obwohl ich kurz vorher noch in der Ferien-Stimmung gewesen war, nicht mal ganz sicher, ob ich überhaupt Lust aufs Seminar hatte, war ich jetzt total fröhlich. Es ist so schön, die anderen nach 4 Monaten wieder begrüßen zu können! Und ich freue mich schon auf die Diskussionen mit ihnen, die Gespräche, die Abende.
Unsere Gruppe von 55 Freiwilligen wurde dann vom Bahnhof abgeholt und mit dem Bus nach Stosswihr kutschiert, ein ganz kleiner Ort in den Bergen, wirklich nah an Deutschland (wie der Name schon verrät, an dem sich jeder Franzose die Zunge zerbricht).
Rausgelassen wurden wir in an einem Haus mitten zwischen hohen Tannen, an einer Schräge des Hügels. Hier war es urplötzlich deutlich kälter, das heißt knappe 25 Grad, was uns nach der schwülen Hitze Strasbourgs eigentlich ganz angenehm war.
Das Haus hatten wir für das Seminar ganz für uns allein – weit und breit keiner in Sicht außer ein paar Vögeln, weit und breit kein Netz oder Internet. Mein Handy habe ich in den Tagen darauf nicht mal mehr aufgeladen. Höchstens für ein paar Fotos und den Wecker am Morgen braucht man es noch, und das ist auf gewisse Weise befreiend – wir sind jetzt wirklich nicht mehr mit Nachrichtenschreiben beschäftigt, sondern nur noch mit den anderen, die dort sind.
Die Gemeinschaft wird zusätzlich dadurch „gefördert“, dass es 10er Schlafsäle, ganze 3 Duschen und einen einzigen Spiegel für 30 Mädels gibt. Die Jungs sind oben im Haus untergebracht.
Aber ganz ehrlich, in den Schlafsälen sind wir ja auch wirklich nur zum Schlafen. Es stört mich nicht mal, dass wir keine Kissen, sondern nur einen Pulli oder eine extra Decke unter dem Kopf haben. Das hier ist spartanisch, aber wen kümmert es, wenn man sich gut mit den Leuten versteht – das kreiert ein richtiges Ferienlager-Feeling.

Am ersten Abend waren wir alle recht müde und sind dann um kurz nach Mitternacht ins Bett gegangen – ganz vernünftig, um für den nächsten Tag die Energie zu haben.
Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen; um acht gab es Frühstück. Dann haben wir uns alle zusammen gefunden und einen „Energizer“ gemacht, was dich für den Tag motivieren soll.
Dann ging es auf eine Wanderung. In 5er Gruppen sollten wir mit Karte und Kompass durch den Wald laufen, wobei wir außerdem einen Höhenunterschied von 600 auf 1100 Meter Höhe bewältigen sollten. Mit Wasserflaschen und Keksen zogen wir los.
Am Anfang noch voller Gewinner-Willen, die beste Zeit wollten wir haben, haben wir bald andere Gruppen im Wald getroffen, uns zu einer großen Gruppe zusammengeschlossen und sind zusammen gelaufen. Es war wirklich eine schöne Strecke, über Nadeln und Wurzeln, an Mini Tannenbäumen vorbei, zwischen hohen dunklen Bäumen mit frühlingsgrünen Spitzen.
Ich war vor allem zu Anfang an der Spitze meiner Gruppe, stolz mit dem Kompass um den Hals war ich die Kartenleserin (und habe mich, um spöttische Kommentare vorweg zu nehmen, echt gut gemacht. Bis auf einen winzig kleinen Ausrutscher, der uns fast von dem auf der Karte gezeigten Bereich und in die Ahnungslosigkeit runtergeführt hätte. Aber sonst war ich echt zuverlässig).


Es gab ein sumpfiges Feld zu sehen, eine Riesen Lichtung zwischen dem dunklen Grün, wo auf freier, feuchter Fläche jede Menge Blumen und winzige fleischfressende Pflanzen lebten.
Auf dem höchsten Punkt der Wanderung waren wir an einer Wiese mit Ausblick auf die Berge angelangt, mit total süßen Kühen mit den obligatorischen, Heidi-mäßigen Glocken um den Hals. Es klimperte und klirrte und ich fühlte mich wie im sportlichen Remake von „The Sound of Music“. Wir haben natürlich versucht, die Kühe zu streicheln, die waren auch super lieb. Du musstest nur aufpassen, dass sie nicht gierig wurden, wenn du ihnen einmal Gras auf der flachen Hand angeboten hattest. Dann neigte besonders eine sehr nähebedürftige schwarz-weiße Kuh dazu, dich mit der Nase anzustupsen wie ein sehr großer Hund, oder mit der großen, rauen Zunge die Hand abzulecken. Da haben wir wohl eine neue Freundin gefunden. 🐂🐮

Dann ging es den steilen Abhang wieder hinab, querfeldein durch den Wald und über einen kleinen Bach geklettert, bis wir wieder am Ausgangspunkt angekommen waren. Jetzt hatten wir uns ein Mittagessen aber mal sowas von verdient!
Nachmittags stand vor allem Administratives auf dem Plan, aber wir hatten auch Zeit, im Sonnenschein auf der weiten Terrasse Karten zu spielen, ich hab 2 Blumenkränze geflochten, wir haben diskutiert und besprochen, ob wir traurig oder glücklich sind, dass der Freiwilligendienst bald vorbei ist.
Abends haben wir über Objekte gesprochen, die etwas für uns bedeuten unser Jahr betreffend. Alle haben in ihrer Einsatzstelle, wo auch immer in Frankreich, doch irgendwie ihren Platz gefunden. Es war echt schön, kleine Anekdoten und Geschichten zu hören.
Nach dem Abendbrot haben wir uns ein Lagerfeuer an der Feuerstelle angemacht (das Holz hatten wir zwischendurch selbst gesammelt). Erstmal haben wir nur gemütlich zusammen gesessen, aber mit Fortschreiten des Abends gab es Weinflaschen, die die Runde machten, und irgendwann holte Manon, eine Französin, ihre Ukulele heraus und begann ein wenig zu spielen. Wir haben mitgeschunkelt und irgendwann hab ich mich neben sie gesetzt, weil ich als einzige auf ihre Tonhöhe hinauf kam. Das klang so schön! Es gab französische Chansons, aber besonders schön klang „I can’t help falling in Love with you“, und es gab einige englische Lieder, von denen alle deutschen Freiwilligen den Text auswendig konnten und mitgesungen haben.
Als es sich langsam leerte und das Feuer hinunter brannte, haben wir die hunderte von Sternen angeschaut und uns Sternbilder ausgedacht.
Ich mag die Gruppe total und die Gemeinschaft zwischen uns, und genieße es, das Leben voller Menschen um mich herum zu haben.

Ich habe jetzt mitten in der Nacht noch den Lagerfeuer Geruch aus den Haaren gewaschen – das ist viel besser, als früh vor dem Frühstück um eine der heiß begehrten Duschkabinen kämpfen zu müssen. Ab ins Hochbett. Mich stören große Schlafsäle nicht, wenn man dafür so eine schöne Zeit zusammen erlebt.
„Genau das sind die Momente, die später zählen. Wo man einfach glücklich ist. Manchmal muss man das einfach aussprechen.“
– Caroline (am Lagerfeuer)
Euphorische Grüße und ich muss jetzt wirklich ins Bett, es ist schon fast 2 Uhr.
Alles Liebe von hier!
Anna 😀
Wie immer das lebendigste und ausführlichste Tagebuch 😘. 🐝 für Fleiß und 🐝🐝🐝 für Erzählkunst.
LikeGefällt 1 Person