Verlassene Bahngleise und Walnusskuchen

Figeac / Cajarc, Frankreich

Am langen Wochenende habe ich gerade Besuch von Laura bekommen, einer anderen deutschen Freiwilligen, die in Nizza wohnt.

Auch wenn das genau genommen keine richtige Reise meinerseits war, sieht man die Stadt, in der man wohnt, nochmal aus ganz anderen Augen. Außerdem gibt es in der Region „Le Lot“ doch immer noch eine neue mittelalterliche Kleinstadt zu entdecken, die man noch nicht kennt.

Am Samstag waren wir zunächst auf dem Wochenmarkt in Figeac. Im Kleinstadtleben gewöhnt man sich an erstaunlich viel Ruhe im Vergleich zu Berlin. Daher ist es für uns, meine Mitfreiwillige und mich, immer schön, wenn samstags unsere Stadt aufblüht und mit den Leuten, die aus allen umliegenden Dörfern fürs Einkaufen kommen, lebendig wird.

Laura hat den direkten Vergleich, ihr Freiwilligendienst findet in Nizza statt. Es kam mir fast Bilderbuch-mäßig vor, wie wir auf dem Markt lauter Leute getroffen haben, die wir kennen. Da kann es schonmal passieren, dass das von der Besucherin als typisches „Dorfleben“ definiert wird. (Falsch. Kleinstadt.) Es gibt frisches Gemüse und Olivenstände, ältere Einwohnerinnen mit ihren (nur zu dieser Gelegenheit akzeptablen) Trollis, die allen anderen den Weg versperren. Und überall Leute, die sich fröhlich und so laut, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen, mit „ça va?“ und drei Küsschen begrüßen, wie das hier üblich ist.

Am Nachmittag wollten wir in den Wald gehen, denn bei dem sonnigen Wetter ist es bei uns echt schön, wenn man ein bisschen ins Grüne wandert. Überall um uns rum sind bewaldete Hügel. Von daher war es umso bizarrer, dass wir tatsächlich ins Touristen Zentrum gehen mussten, um uns einen Weg in die Wälder beschreiben zu lassen. Zwar in alle Richtungen davon umgeben, ist es nämlich gar nicht so einfach, aus der Stadt heraus – und in den Wald hineinzukommen. Man muss es sich so vorstellen, dass alle Straßen, die nach „außen“ führen, entweder eindeutig nur Autostraßen sind (ohne eine Chance für Fußgänger – du willst nicht nicht mit französischen Autofahrern anlegen, glaub mir. Was sind nochmal Geschwindigkeitsbegrenzungen? Und wenn man 3, 4 Gläser Wein getrunken hat, ist man ja wohl noch fahrtüchtig?). An allen anderen Grenzstellen der Stadt sind dicht an dicht Häuser oder von Kötern bewachte Privatgärten, die den Durchgang zum Wald versperren.

Auf jeden Fall wollten wir halt hinaus in den Wald, und konnten nicht wie sonst im Auto einer Freundin oder eines Kollegen mitfahren. Aber als wir das Touristen Zentrum hinter uns gebracht hatten (wenn man seine Frage mit einem deutlich betonten, leicht passiv-aggressiven „ich wohne hier“ anführt, kann man das „woher kommt denn Ihr Akzent?“ unterbinden), war es dann gar nicht so schwierig den Weg zu finden.

Nach schon einigen Minuten ist man wirklich im Stillen, zwischen den Bäumen hört man nur noch Vögel und Bach-Rauschen (naja, je nachdem wie mitteilungsbedürftig die Freundinnen sind). Auf jeden Fall ist es richtig idyllisch, und ich komm auf jeden Fall zum Joggen wieder hier her!

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Frühling ist da!

Am Sonntag ging es dann relativ früh los, bei seltsam drückender Wärme trotz grauem Wolkenhimmel im Bus durch das „Lot-Tal“.

Laut Reiseführer gibt es in Cajarc Burgruinen und Aussichtspunkt zu sehen. Die Definition „direkt IN Cajarc“ hat uns fehlgeleitet – als wir da waren, merkten wir dass diese Punkte eher ein ganzes Stück außerhalb und nur mit dem Auto erreichbar sind. Die Reiseführerschreiber gehen anscheinend davon aus, dass JEDER in dieser Gegend ein Auto besitzt.

Deshalb haben wir eine Stadttour durch das sehr kleine, aber doch charmante alte Stadtzentrum gemacht. Dabei haben wir sogar den Eiffelturm gesehen – na gut, eine etwa 4 Meter hohe verrostete Kopie, die jemand ins Stadtinnere gestellt hat.

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täuschend echt
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aber gerne doch
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Blumentöpfe

Dann haben wir uns mit Walnusskuchen an den Fluss gesetzt. Auf dem breiten Holzplankensteg konnte man sich dann doch noch etwas sonnen und die Hügelaussicht bewundern.

Auf dem Rückweg in die Stadt haben wir dann noch entdeckt, dass es am alten Bahnhof eine gute Stelle für coole Gleis-Fotos gibt… Und für einen kurzen „wer kann besser auf dem Gleis balancieren“-Wettbewerb. Besonders schön frech: vor dem uralten Schild „Nicht die Gleise überqueren“.

[Hinweis: Spielen Sie nicht auf Zuggleisen. Das kann gefährlich sein. Dieser Blog übernimmt keine Haftung für Unfälle auf Gleisen, die hiervon inspiriert wurden.] 

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Am Fluss
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Balanceakt

Dort konnte man ganz schön viel Zeit verbringen, es gab sogar noch einen alten Bahnwaggon, der durch seine staubigen Scheiben quasi zum Reinklettern auffordert.

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Blick aus dem mysteriösen alten Waggon

Und dann ging es noch in das kleine Kunst-Zentrum, das moderne Ausstellungsstücke von Kunststudenten aus dem nahen Cahors und Toulouse zeigt. Das war mal originell!

Um in die Ausstellung hineinzukommen, muss man erstmal durch ein bis zum Knie mit grünen Luftballons gefülltes Zimmer laufen. Da hatten wir so viel Spaß! Das ruft Kindheitserinnerungen wach. Ihr könnt mich in einer Stunde wieder im Bälleparadies abholen.

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grün grün grün
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Kunstprojekt: „Tischtennispartie“

Am besten hat uns dreien aber das Projekt gefallen, das wie ein Frühstückstisch aufgebaut war. Alle elektronischen Geräte, Toaster, Wasserkocher usw. waren an Mikrophone angeschlossen – man musste sich um den Tisch setzen und singen, um die Geräte zum Funktionieren zu bringen und – wenn man will – ein Frühstück essen zu können. Wir haben eine schön schiefe „Mama Mia“ Nummer hingelegt (ohne Publikum ist man so viel freier!) und waren ganz begeistert von der Idee.

Dann mussten wir uns aber schon wieder beeilen, den Bus zurück zu bekommen – das Wochenende hat sich dem Ende zugeneigt.

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war ein netter Ferientag

Mit guten Erinnerungen und positiv eingestellt verabschiede ich mich, Liebe Grüße,

Anna.

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Ein Gedanke zu “Verlassene Bahngleise und Walnusskuchen

  1. Au ja, mit dem EifelTurm Foto hat es sich wieder sortiert: In Cajarc war ich auch, das war winzig und süß. Auf dem Ausflug nach Cahors war daß – und beim Beitrag dazu auf der Family Website finden sich auch ein paar Fotos von den Ausblicken ringsherum. Die man echt nur mit Auto erreicht.
    Aber wieder schön lebendig geschrieben, Annahatfernweh 🙂

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