Montpellier, Frankreich
Heute ging es entspannt los mit einem schönen, für französische Verhältnisse fast schon exzessiven Frühstück. Wir saßen auf dem Platz de la Comédie mit Croissants, Tartines, Butter, Marmelade, O-Saft und Kaffee und haben einem Straßenmusiker mit seinem Akkordeon zugehört. Wie romantisch typisch wie man sich das „la vie est belle“ in Frankreich vorstellt!

Dann sind wir – etwas Kultur – ins Musée Fabre gegangen und haben uns die alten Bilder angeschaut. Ich finde Realismus ja eher uninteressant, das sind immer dieselben kirchlichen Motive (ich liebe dagegen Cézanne, Monet, Van Gogh, Pissaro). Aber es gab dort echt schöne Statuen und ein Prinzip mit einigen Räumen mit nachgemachten Statuen, die man anfassen konnte. Das war cool.


Inzwischen haben wir wirklich schon die Tram in Montpellier schätzen gelernt, da es teilweise echt lange Wege sind. Wir laufen uns ja eh schon den ganzen Tag die Füße platt, um möglichst viel zu sehen… Wir sind eine ganze Weile durch die Stadt gelaufen, um ein angeblich für seine Architektur sehr berühmtes Viertel zu finden („Antigone“). Im Endeffekt war es wie einige langgezogene Höfe, die mit hohen, aber schon etwas in die Jahre gekommen Gebäuden im Neuklassizismus eingerahmt waren. Wir waren so froh, das Viertel gefunden zu haben, dass wir trotz des noch relativ „normalen“ Baustils (der mich normalerweise nicht zu oh’s und ah’s gebracht hätte) voller Staunen hindurch gelaufen sind.

Danach ging es mit der Tram weiter südlich, bis zur allerletzten Tram Station. Wir wollten unbedingt ans Meer, allerdings ist das offensichtlich in Montpellier kein häufig von Touristen geäußerter Wunsch. Zumindest wollen sie es einem wirklich nicht leicht machen, den Weg zum Strand zu finden. Schon in der Tram hat man das Gefühl, immer weiter in „The middle of nowhere“ zu fahren. Schließlich, wenn man aussteigt und Meerblick erwartet, ist der Horizont leider total verstellt von hellorangen Bungalows und es gibt KEIN. EINZIGES. Zeichen wo „Strand“ draufsteht.
Wir sind also hoffnungsvoll (mit unauffälligem Abstand) den jungen Leuten gefolgt, die mit uns aus der Tram gestiegen sind, die haben uns zumindest schonmal in die richtige Richtung geleitet. Es kam dazu, dass sich durchaus Zeichen für das Näherkommen zum Meer zu häufen begannen. Ein starker Wind, ein Geruch nach Salz, und immer wieder sogenannte „Parkplätze für Boote“ (im Wasser und zu Land). Aber wo bleibt das Meer?
Plötzlich von unserer Gruppe allein gelassen haben wir es einfach beständig weiter in der Richtung versucht, wo ich ungefähr den Strand vermutete (nach dem Überblick, den ich vom Blick auf die Karte eine Stunde vorher noch ungefähr im Kopf hatte).

Es war keine große Hilfe, dass ich beschlossen habe mal wieder ein englisches Buch zu lesen, damit zwischen der ganzen französischen Praxis mein Schulenglisch nicht total verloren geht. Ein Tipp: frage nicht nach Hilfe oder nach dem Weg, wenn du ein Exemplar von „One Year in the Merde“ unter den Arm geklemmt hast. Die Franzosen sind ja eh schon misstrauisch gegenüber allen, die die englische Sprache beherrschen (kein Vorurteil, sondern meine ganz ehrliche Erfahrung). Und wenn du dann noch „merde“ auf deinem Buch stehen hast, wirst du eher böse Blicke ernten als hilfreiche Hinweise.
Also haben wir es auf eigene Faust versucht, und schließlich – mein Orientierungs-Instinkt trügt doch nicht, was für ein Glück – sahen wir die dunkelblaue Linie am Horizont. Jetzt bloß nicht mehr aus den Augen lassen und den verwehten Sandspuren auf der Straße folgen. Und dann, plötzlich – das Meer!!!
Wie zur Belohnung für die lange Suche war der Sand einer der feinsten und weichesten, den ich je zwischen meinen Zehen gespürt habe.
Am Strand in Montpellier ist Fehlanzeige einer Touri-Promenade, dafür ist es wirklich idyllisch.
Außer uns sind nur ein paar Paare oder einzelne Montpellienaner (Montpelliennes? Wie heißen die Einwohner hier?) Am Strand, offensichtlich verirren sich Touristen eher weniger hierher. Das Wasser ist sehr klar und es gibt nur winzige Wellen. Hier will man erst wieder weg, wenn die Arme gebräunt, die Haare zerzaust und die Sandkörner an den Füßen festgeklebt sind.



Der Hunger treibt uns dann aber schließlich doch wieder in die Stadt.
In einem süßen Café gibt es ein sehr leckeres Kaffeetrinken, endlich mal eine Pause vom Laufen den ganzen Tag (der Schrittzähler ist mal wieder ganz begeistert von mir).

Plötzlich fiel uns auf, dass am nächsten Tag (Ostersonntag) wahrscheinlich die meisten Geschäfte zu haben würden, und wir sind ganz schnell noch einkaufen gegangen. Man muss ja dafür sorgen, dass es ein schönes Osterfest gibt! Und ich verzichte nicht auf Schokoladen-Ostereier, bloß weil die Sonne hier so heftig scheint.
Wir sind dann noch etwas durch die kleineren Straßen der Altstadt gezogen, haben uns Straßenmusikanten angehört und in Schmuckläden hinein geschaut, bis am Abend unsere dritte Mitreisende ankam, Milena. (Noch eine Freiwillige, die in Cannes arbeitet).
Am Abend sind wir dann noch ausgegangen, die Bars von Montpellier entdecken. Denn ich wollte ja mit meinen Freundinnen um Mitternacht auf meinen Geburtstag anstoßen! Und wow, es gibt echt viele Bars in Montpellier. Abends verwandelt sich die Altstadt in ein Labyrinth von kleinen Plätzen mit Bars dicht an dicht voller junger Leute, mit bunten Lichterketten und Musik. Wir haben dann zufällig eine ausgesucht, um dort zu bleiben, und es war echt eine gute Wahl – stimmungsvolles Ambiente mit Retro Plakaten, in der Ecke ein Fernseher, auf dem schwarz-weiß-Filme liefen, und lauter Studenten-Kellner. Um Mitternacht anstoßen mit Weißwein und eine kleine Kerze auspusten, und die ganze Bar hat gesungen. Schön!

Dann wollten wir eigentlich noch tanzen gehen, aber das ist in Frankreich ja irgendwie nicht so in, es gibt nur Restaurants und Bars. Vor einer Kirche auf den Stufen saß eine kleine Gruppe mit einer großen Musikbox, dann haben wir halt da getanzt. Aus der Laune heraus, unter den Straßenlaternen, fröhlich und ausgelassen, bis die vorbeikommenden Touristen gestarrt haben und versuchen wollten, Videos zu machen. 😃 Sollen sie doch!
Jetzt bin ich also 19. Bereit für neue Abenteuer. Und neue Herausforderungen. Und neue Begegnungen.

So sag ich erstmal Tschüss aus dieser lebendigen Stadt am Meer und wünsche euch Frohe Ostern.
Bis dann! Anna
Sehr schöner Beitrag, den Weg zum Strand in Montpellier hab ich übrigens auch als kleines Abenteuer in Erinnerung 😉
Alles liebe von Lola
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Nicht für Anfänger-Touris gemacht. :p
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